In Münster wird versiegelt, als gäbe es kein Morgen. Doch an diversen Stellen regt sich Widerstand.

Ein Kommentar von Sarah Khalil

Es ist das immer gleiche Spiel: Als gäbe es keine multiple Krise, werden alte Bäume gefällt, um Großprojekte zu ermöglichen. Wie im Hambi (Hambacher Forst) aber auch – ganz anders – in Münsters Zimmermannschen Wäldchen stemmen sich seit  9. Oktober 2023 auch Aktivist*innen an Münsters Kanal dagegen. Sie protestieren gegen ein fossiles Großprojekt aus der Mottenkiste der Industrie. Einen guten, knappen Überblick über die Lage gibt Svenja Stühmeier in der RUMS.

Schon jetzt ist klar: Ihre Proteste stehen unter keinem guten Stern. Längst ist das Planfeststellungsverfahren abgeschlossen. Der Bau kann rechtlich nicht mehr bekämpft werden. Alleine eine politische Entscheidung auf Bundesebene würde helfen – und die ist illusorisch.

Doch ist das Camp am Kanal wirklich sinnlos? – Zunächst einmal haben Baumbesetzer*innen und Anwohner*innen eine breite Debatte angestoßen, an der lokale Medien und Politik nicht vorbeikommen. Dazu gesellt sich seit einiger Zeit auch Widerstand von erfahrener Seite, nämlich vom Naturschutzbund (NABU) Münster. Das führte zu einem ersten Erfolg: Das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Westdeutsche Kanäle sagte eine ökologische Baubegleitung für noch bevorstehende Fällungen zu. Das reicht dem Nabu jedoch nicht. Sie stellen detaillierte Forderungen, die dafür sorgen sollen, dass der Eingriff in die Natur so gering wie möglich bleibt. Dazu gehört eine vertiefende Artenschutzprüfung (Stufe II) zu erstellen, die die Artengruppen Vögel und Fledermäuse umfasst und eventuell auch Reptilienvorkommen mit einbezieht.

Es kann sein, dass weiterer Widerstand dieses Mal erfolglos bleibt. Aber das bedeutet nur: Die Öffentlichkeit und Umweltverbände müssen noch eher hinschauen und eingreifen, damit wichtige Entscheidungen nicht über ihre Köpfe hinweg getroffen werden. Oder wie ein Aktivist es in der RUMS formuliert: “Wenn man bei unnötigen Projekten vorher eine Woche Stress macht, führt das vielleicht dazu, dass es in Zukunft einen besseren Austausch im Vorfeld gibt.“ Wobei die bisherigen Kommunikationsforen der Stadt wenig Hoffnung geben…

Der NABU hat viel Wissen und Übung darin, Projekte auf Umweltschutzaspekte hin zu prüfen. Dabei ist der Kanalausbau ein besonders absurdes, aber längst nicht das einzige Beispiel für (die geplante) Naturzerstörung in Münster. Ganz aktuell regt sich im Rat erneut Widerstand gegen die Baupläne der Musikhalle. Einer von mehreren Gründen: Für die neue Halle soll der Apothekergarten überplant werden. Dies galt bei den Grünen eigentlich als “Rote Linie”, die nicht überschritten werden darf.

Hier sitzen die Planer zudem alle in Münster und nicht im Bund, sondern im Land sowie an der Universität und der Stadtverwaltung, also durchaus in erreichbarer Nähe. Wie es weitergeht, ist unklar. Sollten die Planungen jedoch auch diese Grünflächen noch angreifen, ist es endlich notwendig und geboten, dass die Planer*innen die Kritik der Klimaschützer*innen – die genau genommen Lebensschützer*innen sind – ernst nehmen. Denn in Zeiten der multiplen Krisen – unter ihnen das sechste Massenaussterben – reicht es eben nicht, sich zur Klimastadt zu ernennen und dann weiter drauflos zu versiegeln. Es sollte zumindest ein ehrlicher Austausch aller Positionen erfolgen. Bei dem ist zu bedenken: Was einmal gerodet und versiegelt ist, ist für immer verloren. Daran ändern auch Ausgleichsflächen in der Peripherie nichts.