Lützerath, das ist der Name eines winzigen Ortes in der rheinischen Bucht. Die wenigen Häuser liegen derzeit nur noch einen Steinwurf entfernt von der Abraumkante des Braunkohletagebaus Garzweiler II. Mit dem Satz „Über Lützerath entscheiden die Gerichte.“ kommt der Ort sogar im Koalitionsvertrag der neuen Ampel-Regierung vor. Bis auf einen Hof sind die Häuser leergezogen und gehören inzwischen RWE. Und dieser eine Hof wird noch immer von dem Landwirt Eckardt Heukamp bewohnt und bewirtschaftet. Bis auf den heutigen Tag weigert sich Eckardt Heukamp, seinen seit Generationen im Familienbesitz befindlichen Hof an RWE zu verkaufen. Nachdem in den letzten Jahren die Orte Borschemich und Immerath schon Opfer der Schaufelradbagger geworden sind, ist Lützerath mit der Hofstelle Heukamp jetzt das Zentrum des Widerstandes gegen die Ausweitung des Braunkohletagebaus und des Kampfes für die Beendigung der Kohleverstromung geworden.

Die Schlüsselrolle in dem juristischen Verfahren kommt dem nordrhein-westfälischen Oberverwaltungsgericht (OVG) zu, das seinen Sitz in Münster hat. Hier soll bis spätestens Anfang Januar 2022 über die Rechtmäßigkeit einer Enteignung des Hofes Heukamp entschieden werden. (Die Verhandlung wurde um drei Wochen verschoben; Anmerkung der Redaktion)

In der Münsters Erphokirche wird derzeit ein Gemälde ausgestellt, das im Sommer diesen Jahres von den Leipziger Künstlern Helge Hommes und Saxana Nicole Schötschel auf dem Hof von Eckardt Heukamp erstellt wurde. Das dreiteilige Werk mit dem Titel „Das große Gelingen“ ist 6m breit und 2,5m hoch, birgt eine Fülle von teils expliziten, teils symbolischen Bezügen auf das zerstörerische Werk der Bagger, aber auch auf Zeichen der Hoffnung. So taucht auch der inzwischen zerstörte Immerather Dom auf. Zu sehen ist aber auch eine Menschenkette, die einen Jahrtausende alten Baum vor der Kettensäge schützt.

In einer Aufsehen erregenden „Kunst-Prozession“ wurde das Gemälde im Beisein der beiden Künstler und etlicher Klima-Aktivisten am 25. November 2021 durch Münsters Innenstadt getragen. Die Prozession begann und endete am Oberverwaltungsgericht. Die Presse berichtete bemerkenswert gut und wohlwollend.

Und warum ist das bevorstehende Urteil so bedeutend? Sollte das OVG den Anspruch von RWE auf Enteignung des Hofes Heukamp zurückweisen, dürfte dies ein erhebliches Hindernis für die noch immer geplante Ausweitung von Garzweiler II bedeuten. Der Braunkohle-Abbau mitsamt der nachfolgenden Verstromung – durch die ständig steigenden Preise der europäischen Emissionszertifikate ohnehin schon deutlich ausgebremst – würde für RWE noch unattraktiver und finanziell nicht mehr lohnend. Das Enddatum 2030 für den Kohleausstieg – im Koalitionsvertrag noch mit dem einschränkenden Wörtchen „idealerweise“ versehen – wäre damit höchstwahrscheinlich endgültig besiegelt. Schon einmal war ein Urteil von Münsters Oberverwaltungsrichtern ausschlaggebend für die Rettung des Hambacher Waldes. Und dass Deutschlands erfahrenste und erfolgreichste Klima-Anwältin Roda Verheyen den standhaften Eckardt Heukamp vor Gericht vertritt, ist sicherlich ebenfalls ein starkes Zeichen der Hoffnung.

Michael Tillmann, Dezember 2021

Das Gemälde vor dem Eingang des Oberverwaltungsgerichts

Weitere Informationen zu Lützerath finden Sie unter Lützerath lebt und Alle Dörfer bleiben sowie hier.