„Wie Sie sehen, sehen Sie nichts und warum Sie nichts sehen, werden Sie gleich sehen.“ Dieser Zungenbrecher beschreibt den besonderen Reiz der vogelkundlichen Führung, zu der das Bündnis KlimaEntscheid Münster in die Rieselfelder gebeten hatte. Denn im grauen münsterschen Januar und jenseits der Brutsaison brauchte es schon geübte Augen und Ohren, um die zahlreichen Vogelarten zu entdecken, die in dem Naturschutzgebiet nördlich von Münster hausen. Gut, dass die vier vogelkundlichen Führer über diese langjährig trainierten Sinne verfügten. Sie öffneten Klimaaktivist*innen, Naturliebhaber*innen und anderen Interessierten die Augen für das Federkleid der Blässgans (weiße Stirnblässe), die Größe der Krickente (sie ist die kleinste von allen) und die Besonderheiten der Kanadagans (schwarzer Hals). Nebenbei boten sie Kleingruppen bei Radtouren und Spaziergängen einen Einblick in ein Naturparadies direkt vor Münster.

Für Fenja war die Führung ein besonderes Erlebnis. Sie hatte beim Weihnachtsmarktstand des KlimaEntscheids das große Los gezogen: Ein vogelkundlicher Spaziergang durch die Rieselfelder für sich und eine Begleitung. Und weil so ein Gang eine gute Gelegenheit ist, Gleichgesinnte zu treffen, hatten sich 35 Neugierige der Einladung des Bündnis KlimaEntscheid angeschlossen. Für sie war der Ausflug nicht nur eine Möglichkeit, um die heimische Vogelwelt näher kennen zu lernen, sondern auch um einen Blick auf mögliche Mitstreiter*innen zu werfen. Das sind nämlich auch „bunte Vögel“, wie die herzliche Vorstellungsrunde zeigte: Da trafen langjährige ÖDP-Politiker auf Scientists for Future, Greenpeace auf die BUNDJugend sowie Fridays For Future auf erfahrene Vogelkundler*innen. Sie alle eint die Sorge um die verheerenden Folgen des Klimawandels, der sich auch an Orten wir den Rieselfeldern direkt ablesen lässt. Sie alle haben das Gefühl: Wir müssen endlich etwas tun.

Beim gemütlichen Gehen und Radeln durch die einmalige Feuchtlandschaft entwickelte sich deshalb schnell auch ein Erfahrungsaustausch über die Möglichkeiten, sich für den Klimaschutz zu engagieren. Die Gründe dafür lagen an diesem Tag vor der Nase: Die Rieselfelder zeigen, dass sich eine Stadt bewusst dazu entscheiden kann, der Natur den Vortritt zu lassen: Die Felder wurden ab 1901 genutzt, um das Abwasser der Stadt zu filtern. So entstand ein Gebiet mit niedrig überschwemmten Wiesen, ideal für Zug- und Watvögel. Gleichzeitig wurden Feuchtgebiete in vielen anderen Regionen Europas trockengelegt, um sie für die Bebauung zu nutzen. Die Bedeutung der Rieselfelder für die Vogelwelt wuchs. Bereits seit 1968 bemüht sich die biologische Station darum, den besonderen Lebensraum zu beschützen. Bedrohlich wurde die Lage, als 1975 eine Großkläranlage entstand. Die Wiesen wurden nicht mehr benötigt, fielen trocken, und sollten zu einem Industriegebiet werden. Dagegen machte sich eine Bürgerinitiative stark – mit Erfolg. Seit 1977 stehen die Rieselfelder unter Naturschutz und seit 1983 sind sie gar Feuchtgebiet von internationaler Bedeutung. Inzwischen der Status nicht mehr bedroht und das Areal wurde 1998 sogar noch einmal erweitert.

Die Initiative schaffte einen Gewinn für Natur und Mensch, wie die Führung eindrücklich zeigte. Denn das geduldige Warten an Bachufern und kleinen Teichen gewährte den Wanderern neben dem Blick auf zahlreiche Entenarten auch noch Sicht auf Störche, Graureiher, Schnepfen und Möwen.

Beim abschließenden Tee in gemütlicher Runde hatte sich für vielen der Blick auf die Landschaft vor der Haustür grundlegend verändert. „Ich wusste nicht, dass es so etwas Schönes hier gibt“, meinte eine Teilnehmerin. Der Dank ging an das Team der Biologischen Station – und zwar nicht nur für ihr Wissen und ihre Gastfreundschaft. Die Vogelkundler arbeiteten an diesem Tag. Sie schenkten die eigentlich für die Führung gesammelten Spenden dem Bündnis KlimaEntscheid Münster.