Martin Steinrücke
Mitglied von Health for Future Münster
Beinahe neidvoll müsste sich die Klimabewegung die Haare raufen ob ihrer bisher zu 99% friedvollen, aber wirkungsarmen Demonstrationen. Jetzt muss sie frustriert erkennen, wie bereitwillig sich
politische Akteure sich mit den Partikularinteressen einer Minderheit solidarisieren, Beschlüsse ver-
werfen, Verständnis zeigen, die Ziele des Protestes vereinnahmen, sie zum Teilprogramm einer
reaktionären Politik machen, nur weil die Protestler*innen die Macht ihrer Arbeitsmittel missbrauchen.
Wie jämmerlich wirkt dagegen der Protest „der Klimakleber“: ein paar Kreuzungen zu blockieren,
nicht mehr. Dabei verfolgen diese Akteur*innen keine wirtschaftlichen Interessen, sondern nur das Ziel,
dass der Staat etwas zur Rettung des Planeten beiträgt. Aber wen interessiert das schon? Man
nimmt die Klimabewegung trotz der abertausenden Teilnehmer*innen quer durch die Gesellschaft nicht
wirklich ernst.
Man stelle sich vor, die Klimabewegung würde in gleicher Manier bundesweit agieren, würde sich
nicht, wie geschehen, wegen einer Veranstaltung auf Nebenstraßen abdrängen lassen, sondern
Autobahnauffahrten und Hauptverkehrsachsen blockieren.
Würden der Staat und die Parteien in gleicher Weise Beschwichtigungspolitik betreiben? Oder würde
der Notstand ausgerufen, die Bundeswehr in Bereitschaft versetzt, Lager errichtet ob der
tausenden Protestler, der potientiell vermuteten Terroristen (Klima-RAF)?
Die Ungleichheit in der Wahrnehmung, der Behandlung, die Unfähigkeit und der Unwille weiter
Teile der Politik zu differenzieren, disqualifiziert sie darin, ernst genommen werden zu können. Es
wird spannend sein, ob und wenn ja welche Folgerungen die Klimabewegung aus dieser Wahrneh-
mung zieht. Es bleibt zu hoffen, dass sie – im Gegensatz zu den Bauern und den willfährigen Politi-
kern – wie bisher dazu in der Lage sein wird, bestimmter, sensibler und achtsamer das Engagement für
eine bessere Umwelt fortzusetzen.