Ein Bericht von Ilka Dönhoff
Der Bezug zum Ort des Geschehens war schnell hergestellt: Kürzlich hatte das Theater Münster ein nachhaltiges Bühnenkonzept entwickelt, und auf ebendieser Bühne hat am 22. Mai 2023 die Roadshow „Wir können auch anders“ in Münster Station gemacht. Die 4-teilige Doku-Serie beruht auf dem gleichnamigen Bestseller der Transformationsforscherin Maja Göpel und ist in der ARD-Mediathek zu finden. Die Serie handelt von Positivbeispielen, die in Bereichen wie Verkehr, Wohnen und Bauen oder Landwirtschaft zeigen, wie anderes Wirtschaften jetzt schon möglich und zukunftsfähig ist. Bekannte Protagonist*innen wie die Axel Prahl, Anke Engelke oder – auch zu Gast in Münster und später auf dem Panel – die Schauspielerin Pheline Roggan gestalten mit einer Mischung aus Unterhaltung und Fakten die Dokus.
Durch den Abend geführt hat v.a. die Osnabrückerin Nicola Bramkamp, künstlerische Leiterin des veranstaltenden Vereins Save the world. Die Idee zur Doku? Bramkamp und der (nicht anwesende) Regisseur Lars Jessen wollten „mal was Anständiges machen“, um ein „bisschen Hoffnung in die Beschissenheit“ zu bringen. Bramkamp musste jedoch auch eine für viele Zuschauende bedauerliche Nachricht überbringen: Maja Göpel konnte leider aus gesundheitlichen Gründen nicht wie angekündigt in Münster sein – zu ihrer Video-Grußbotschaft und ihrer spontan eingesprungenen Vertretung Insa Thiele-Eich später mehr.
„Wer, wenn nicht wir, wann, wenn nicht jetzt“ lauteten erste Zeilen der Gruppe Frida Gold, die das Bühnenprogramm musikalisch eröffnete. Gefühlvolle Songs und ebensolche Statements stimmten das Publikum auf den Abend ein und animierten zu Verbundenheit als Gegenteil von Angst. Geschlossen wurde die musikalische Einheit mit dem Appell, dass die Menschen mit guten Absichten sich verbinden mögen. Ein berührender Einstieg.
Es folgte ein Ausschnitt aus der Serie zu „Essen und Ernten“, in der Pheline Roggan und der vegetarisch lebende Aurel Mertz verschiedene Akteure besuchen und deren Wirken charmant portraitieren. Sie sind zu Gast bei dem „Erbsen-Pionier“ Friedrich Büse von der Firma endori, der beklagt, dass Fleisch aufgrund der eingeschliffenen Praxis und nicht einbezogener externer Kosten preiswerter „produziert“ werden kann als seine erbsenbasierten Patties; ein Aquaponik-Vorreiter führt vor, wie Barsch und Basilikum in kooperativer Gegenseitigkeit aufwachsen können; der Landwirt Benedikt Bösel und seine Partnerin präsentieren ihre hungrigen Kühe, die viermal täglich auf einem neuen Teil der Weide den Gräsern die „Spitzen schneiden“ dürfen, sodass es schneller nachwachsen kann, und der Bürgermeister des bayrischen Örtchens Andernach zeigt stolz Teile seiner „Essbaren Stadt“. Vor Anfragen aus anderen Orten könne er sich kaum retten – ob Münster auch darunter ist?
Kleiner Exkurs (Kommentar)
Klug wäre es, wenn auch unwahrscheinlich: Im Integrierten Flächenkonzept der Stadt Münster (IFM), das in den letzten Monaten hinter verschlossenen Türen entwickelt wurde und nun in einem Werkstattverfahren der Öffentlichkeit in drei Szenarien präsentiert wurde, ist keine Rede von z.B. gemeinschaftlich bewirteten Beeten, die Bestandteil einer essbaren Stadt sein können. Münsters Bürger*innen sind in einem sog. Beteiligungsverfahren (noch bis 11. Juni 2023) aufgerufen, Stellung zu diesen Szenarien zu nehmen und Vorschläge einzubringen. Grundlegende Änderungen, die die „Frei“- als Grünflächen erhalten (wie z.B. vom KlimaEntscheid gefordert)? Höchst unwahrscheinlich.
Bevor das Panel startete, hatten die Besucher*innen die Gelegenheit, sich wie von der Band Frida Gold gewünscht, zu verbinden bzw. zu vernetzen: Im Foyer konnten sie sich bei verschiedenen Initiativen auf einem „Markt der Möglichkeiten“ bei „lokalen Champions“ informieren, wie „wir auch anders können“. Von Münsteraner Initiativen wie Greenpeace, foodsharing e.V., der FairTEILBAR, dem Gemüseacker oder den Teachers for future waren auch Studierende der Konstanzer (ehem. Cusanus-) Hochschule für Gesellschaftsgestaltung vor Ort, um sich zu vernetzen und bundesweit mehr Bekanntheit zu erlangen. Denn an der nachhaltig orientierten Hochschule, die von der Professorin für Ökonomie und Philosophie Silja Graupe (hier im Interview mit Tilo Jung) gegründet wurde, sind auch Studierende
eingeschrieben, die nicht in Konstanz leben. Laut einer Studentin hatte das Vorhaben Erfolg: Sie kam z.B. mit Eltern ins Gespräch, die stellvertretend für ihren Nachwuchs Infos zu geeigneten Fächern und Orten für ein Studium einholten.
A propos Besucher*innen: Das Große Haus des Theaters war ca. zur Hälfte besetzt, viele der Plätze durch die Standbetreuer*innen der Initiativen. Ein breiteres Publikum für diesen Abend hätte der Stadt ebenso gutgetan wie die von Frida Gold ersehnte weibliche Tonalität (das Nährende und Gemeinschaftliche in allen Menschen) der Welt guttun würde.
Als Abschluss kamen auf einem Panel den Protagonist*innen der Doku-Serie zu Landwirtschaft die bereits erwähnten Pheline Roggan und Friedrich Büse zu Wort, zudem aus einem kleinen Einblick in die Doku zu Wohnen & Bauen der Düsseldorfer Klaus Franken sowie die ebenfalls erwähnte „Fastronautin“ und vierfache Mutter Insa Thiele-Eich.
Die Zuschauenden lernten von ihr etwas über Fleischersatz per 3D-Druck im All sowie (in einer Anspielung auf einen Song zu Beginn) die Bekräftigung, dass alle Mütter müde sind – ein Lob auf Verbote im Lebensmittelbereich, die Konsument*innen Kauf-Entscheidungen leichter machen würden statt ihnen die Verantwortung zu übertragen. Thiele-Eich teilte außerdem ihre Erfahrung als Expertin beim bundesweiten Bürgerrat Klima, der im Kern 2021 stattfand und in dem ausgeloste Bürger*innen unter anderem über Ernährungspolitik diskutierten: Deren Empfehlungen gingen weit über das von ihr erwartete hinaus. Ihr Fazit: Die schweigende Mehrheit, die sich sonst nicht an Politik beteiligen würde, will gehört werden.
Von den weiteren geteilten Ideen könnten sich sowohl die Stadt Münster als auch die Einwohner*innen inspirieren lassen: z.B. wie in Düsseldorf leerstehende Büros – durch die Pandemie zunehmend – zu Wohnungen umzubauen, als Bewohner*in einfach mal einen Antrag auf Umwidmung eines KfZ- zu einem Fahrradparkplatz zu stellen oder wie von Maja Göpel in ihrer Video-Grußbotschaft allen Menschen ans Herz gelegt: das Miteinander und die gegenseitige Abhängigkeit statt als Schwäche als Potenzial zu sehen.
So ging ein nachdenklicher und -haltiger Abend zu Ende und hoffentlich ein paar mehr zu Engagement animierte Besucher*innen nach Hause.
Wir wünschen Save the earth e.V. und uns, dass die gesamte Roadshow einen nachhaltigen Effekt hat, ob mit nachhaltigem Bühnenbild oder ohne.