Am 06.06.24 veröffentlichte die WN den Leserbrief von M. Steinrücke zum Artikel (01.06.24) über die Demo am 31.05.24. Der Leserbrief wurde gekürzt wiedergegeben. Hier der komplette Text. Die hervorgehobenen Teile wurden von der WN gestrichen. Mache sich jeder ein Bild

Die WN titelte in ihrer Ausgabe vom 01.06.24 zur Demo am 31.05.24 „Die Allianz der stetigen Mahner vor der Europawahl“. Die Münstersche Zeitung titelte ganz ähnlich. Der Titel löste bei mir Unbehagen aus.

Denn die Überschrift ist m. E. Ausdruck der Zuschreibung von Vergeblichkeit von Unsinnigkeit des Straßenprotestes. Der Mahner, der nicht gehört wird, auf den nicht gehört wird. Der Mahner steht außen und wird als ein seltsames den Alltag nur peripher berührendes Phänomen wahrgenommen. Das eigentliche Leben findet aus Sicht des Artikelschreibers und der meisten Menschen wohl woanders, im Alltag statt.

Ein Alltag, voller Konsum, Hektik, Lautstärke, des – nicht Innehaltens , des – es muss so weiter gehen, des – die sollen es mal machen, des – dafür habe ich keine Zeit, des – das kennen wir schon , des – nützt eh nix, des- ach die schon wieder, des – beim Preussenaufstieg waren es mehr.
Ein Alltag des Wegschauens, der stetigen Überforderung, da stören Mahner nur. Die sind als starre Skulpturen verbannt in Museen, auf Plätzen versteinert, daran geht man vorbei. Sie finden Platz im Feuilleton.
Mahner sind Narren, Hell- oder Schwarzseher, verrückte Propheten oder werden verächtlich als Störenfriede disqualifiziert, werden einer ungestümen Jugend zu geordnet, das legt sich ja mit den Jahren. Und langsam geht alles vor die Hunde, welch Tragik. Während der Mahner weiter macht wendet sich der Zuschauer ab, es gibt eben Wichtigeres. Eine Lösung wird dem Zufall überlassen, einer diffusen Hoffnung. Es wird schon gut gehen.

Mahner werden nicht gehört. Aber wer nicht hören will muß fühlen, das wissen wir eigentlich seit unserer Kindheit. Das Fühlen erledigt dann die Realität von Katastrophen, der individuell erlebten Not, das Elend, der Krieg und damit letztlich der Tod. Welch Tragik. Aber alles kein Problem, solang es einen nicht direkt trifft und es nur irgendwo anders auf der Welt stattfindet. Was bliebe, wäre ein stiller Schrei.

Nein, Mahner wollen wir nicht sein, das sind wir nicht. Ab und zu zeigen wir uns. Wir kämpfen, jeder so wie er kann, im Alltag, wirken subtil, manchmal laut, sind unermüdlich dabei, den Alltag zu gestalten in unserem Umfeld, hin zu einer solidarischen, sensiblen, den Menschen wertschätzenden, achtenden Gesellschaft. Wir wirken, manchmal schnell , meist langsam, wir verändern, machen wohl Fehler, sind demütig. Und die Kraft, die uns, also viele der in der Klimabewegung engagierten Menschen, immer wieder antreibt, die uns trägt, ist die unermüdliche Kraft der Liebe zu Mensch und Natur, deren Teil wir sind.