Berlin / Lützerath: Quelle
NRW-Umweltminister Krischer: “Da wurde eine Unwahrheit in ein Gesetz geschrieben“
Die vom Kreis Heinsberg erlassene Allgemeinverfügung zur Räumung des bedrohten Dorfes Lützerath fußt auf einem möglicherweise verfassungswidrigen Bundesgesetz. Die Allgemeinverfügung, mit der die Räumung des widerständigen Dorfes in Auftrag gegeben wird, führt § 48 des Bundesgesetzes zum Kohleausstieg (KVBG) als Grundlage an. Der Paragraph besagt, dass der Braunkohle-Tagebau Garzweiler II als einziger Tagebau in Deutschland “energiewirtschaftlich notwendig” sei. Zwei Gutachten von Verfassungsrechtlern kommen jedoch zu dem Schluss, dass der Paragraph verfassungswidrig sei, da der Bund nicht die Gesetzgebungskompetenz in der Sache habe und da §48 mangels wissenschaftlicher Grundlagen “evident unsachlich” sei. Zum selben Schluss kam 2021 auch die Grüne Bundestagsfraktion. Der für die Räumung zuständige Polizeipräsident Dirk Weinspach hat mehrfach öffentlich betont, dass sich eine illegale Räumung wie 2018 im Hambacher Wald nicht wiederholen dürfe – doch genau das droht nun wieder.
NRW-Umweltminister Oliver Krischer, der die Räumung von Lützerath mit vorantreibt, schrieb im März 2021 auf seiner Facebook-Seite zu § 48 KVBG: “’Energiewirtschaftlich notwendig’ sei der Tagebau in Garzweiler heißt es (…) im Gesetz. Das ist natürlich Quatsch und dient einzig dem Zweck, dass RWE die letzten Dörfer rund um den Tagebau besser abreißen kann, um dort die Braunkohle zu fördern. Da wurde eine Unwahrheit in ein Gesetz geschrieben, in der Hoffnung, dass sie dadurch zur Wahrheit wird.”
Die Grüne Bundestagsfraktion ließ 2021 die Rechtmäßigkeit von § 48 vom Verfassungsrechtler Prof. Dr. Georg Hermes bewerten. Deutliches Ergebnis: Der Bund verfüge nicht über die Kompetenz, Tagebauplanung zu betreiben, da dies in den Zuständigkeitsbereich der jeweiligen Bundesländer falle. Darüber hinaus dürfe kein einzelner Tagebau bevorzugt werden, ohne dass bundesweit geprüft wurde, ob dafür eine Erforderlichkeit bestehe. Prof. Dr. Thomas Schomerus hatte im gleichen Jahr im Auftrag der Klima-Allianz den Paragraphen bewertet und ihn ebenfalls für verfassungswidrig erklärt. Bedarfsfeststellungen müssten ausreichend geprüft, begründet und die Belange aller Betroffenen abgewogen werden – das sei im Falle des §48 nicht geschehen.