Hier finden Sie den Artikel zur Befragung der OB-Kandidat*innen auf der KlimaCouch am 13.08.2025
Spitzenkandidat*innen stellen sich den Fragen der Umweltbewegung
Fast alle Parteien bekennen sich zur Klimaneutralität 2030, doch niemand wagt ausreichende Maßnahmen – Wir werden sie an ihren Taten messen
Wetter ist nicht gleich Klima, aber wenn es um 18:00 Uhr abends noch 33 Grad im Schatten ist, wird es
schwer zu leugnen, dass die globale Erderhitzung einen Anteil daran hat. Das wollte auch niemand der
sechs Diskussionsteilnehmer*innen, die am Mittwoch, 13.08.2025, auf der Klimacouch vor dem
Rathaus saßen. Sie alle stellten sich den Fragen von Vertreter*innen der Klimabewegung und
diskutierten freundlich miteinander. Vielleicht sogar ein wenig zu freundlich. Denn die Fragen, die auf
den Tisch kamen, waren durchaus brisant.
Teresa Häuser (KlimaEntscheid/NABU) wollte wissen: „Wie wollen Sie die Treibhausgasemissionen in
Münster so senken, dass die Klimaneutralität 2030 erreicht und damit der Ratsbeschluss aus dem Jahr
2020 umgesetzt wird?“
Georg Heinrich (VCD) fragte: „Wie wollen Sie sicherstellen, dass alle Teilnehmer*innen gleich-
berechtigt am Straßenverkehr teilnehmen – also so, dass Autos nicht gegenüber Fahrrädern und
Fußgängern bevorzugt werden?“
Um die zeitnahe Dekarbonisierung des Energiesektors ging es Harald Nölle (Energiewende-Bündnis).
Und zuletzt sprach Anuschka Tecker vom NABU das heikle Thema „Flächennutzung“ an: Angesichts der
Krise von Klima und Biodiversität müssten eigentlich möglichst viele Flächen naturnah erhalten
bleiben. Doch Münster wächst, und das bedeutet: Versiegelung, Verlust von Lebensraum für Pflanzen
und Tiere.
Katharina Martinewski (Die Linke): “Man kann auch über einem Supermarkt wohnen.”
ÖDP-Kandidat Franz Pohlmann wurde dazu deutlich: „Wir haben kein Problem mit Wohnraum,
sondern mit Wohnungen“, sagte er. Schließlich bewohne derzeit eine Person in Münster rund 50
Quadratmeter, Menschen über 60 Jahren sogar 100. Etwas mehr Bescheidenheit könnte Münsters
Wohnungskrise also lösen, ohne dass auch nur ein Quadratmeter mehr versiegelt würde. Doch auch
Pohlmann hatte keine Idee, wie man ausreichend Bürger zum Umzug in kleinere Wohnungen bewegen
kann.
Da waren die Lösungen der Linken pragmatischer: Dr. Katharina Martinewski schlug vor, Gebäude
aufzustocken. “Man kann auch über einem Supermarkt wohnen.” Sie räumte allerdings ein: „Das
Thema ist komplex und muss zwischen allen Beteiligten verhandelt werden.“
Auch Maren Berkenheide (Volt) sprach sich dafür aus, Häuser aufzustocken. Grüne, SPD und CDU
blieben in dieser Frage uneindeutig.
Katharina Martinewski (Die Linke) verstand es, Beziehungen zwischen den aktuellen Krisen
herzustellen. Der Kapitalismus fordere grenzenloses Wachstum, das bei begrenzten natürlichen
Ressourcen schlicht unmöglich sei. Man müsse also umdenken. Dazu machte sie konkrete Beispiele:
So soll der ÖPNV ausgebaut und kostenfrei gemacht werden, um möglichst vielen komfortable
Mobilität ohne Auto zu ermöglichen. Landwirtschaftliche Flächen sollten langfristig verpachtetwerden, um ökologische Nutzung zu ermöglichen – statt, wie jetzt, nur kurzfristig, um gegebenenfalls
zu Bauland zu werden. Hier war sie sich einig mit Maren Berkenheide von VOLT.
Franz Pohlmann (ÖDP): „Es braucht einen Mentalitätswechsel!“
Im Vergleich zu ihrem Mitbewerber Franz Pohlmann (ÖDP) sind Martinewski und Berkenheide erst seit
Kurzem in der Kommunalpolitik. Pohlmann beobachtet die Klimapolitik als Ratsherr seit mehr als 20
Jahren – und zeigte sich einigermaßen verzweifelt angesichts dessen, was SPD, CDU und Grüne in
dieser Zeit beschlossen hatten. Freundlich aber bestimmt stellte er fest: Verkehr, Energie und
Landwirtschaft seien die drei Stellschrauben, an denen man ansetzen müsse, um die Stadt
klimaneutral zu machen. Beispiele gefällig? – Jahrzehntelang habe man den Verkehr nur aufs Auto
ausgerichtet und Schienen zurückgebaut. Der gesamte öffentliche Raum sei ungerecht verteilt –
Fußgänger, Radfahrer und Busse hätten das Nachsehen. Das zu ändern sei jedoch extrem schwierig,
denn das Auto habe sich “im Kleinhirn festgesetzt”, so Pohlmann. Es brauche einen
Mentalitätswechsel. Der langjährige Kommunalpolitiker ließ keinen Zweifel: Wir müssen diese
Debatten führen. Denn die Klimakrise ist einerseits zwar eine existenzielle Bedrohung, andererseits
aber auch nur Physik. Sie lässt nicht mit sich verhandeln: „Das ist wie bei einem Glas Wasser. Wenn Sie
das umdrehen, fließt das Wasser raus.“ Statt also weiter zuzusehen und – um im Bild zu bleiben –
nasse Füße zu riskieren, müsse man handeln. Bürgerräte sollen helfen, die zu erwartenden
Interessenkonflikte zu moderieren und die Menschen in schwierige Entscheidungen einzubinden.
Tilman Fuchs (Grüne): “Alle in die Pflicht nehmen!”
Hier war er sich übrigens nicht nur mit Katharina Martinewski, sondern auch mit Tilman Fuchs von den
Grünen einig. Letzterer forderte darüber hinaus vor allem: “Alle Bürger, Unternehmen und alle
Bereiche der Verwaltung müssen gleichermaßen in die Pflicht genommen werden” – ein Appell, ebenso
markig wie diffus. Zwar meinte Fuchs, Ziele gelte es so weit herunterzubrechen, dass Folgendes ganz
klar werde: “Wie viele Kilometer Radweg wollen wir in den nächsten Jahren erreichen? Wie viele PV-
Anlagen wollen wir auf städtischen Gebäuden installieren? Wie viel energetische Sanierung wollen wir
ermöglichen?” Leider hinterlegte er aber keine dieser Punkte mit konkreten Zahlen.
Stephan Brinktrine (SPD): „In den vergangenen Jahren ist zu wenig passiert!“
SPD-Kandidat Stefan Brinktrine gab selbstkritisch zu, dass in den vergangenen Jahren zu wenig passiert
sei, um Treibhausgase zu reduzieren und bezog Partei für die Radfahrer*innen. Wohl auch, um seine
Erfahrung als Bezirksbürgermeister zu betonen, führte er ein Beispiel aus Münsters Westen an. So
müssten Radler*innen auf die Gegenfahrbahn wechseln, wenn sie in das neue Quartier an den Oxford-
Kasernen abbiegen wollen. Man habe die Radfahrspur schlicht vergessen. Er habe das Problem im Rat
angesprochen, sich aber nicht durchsetzen können. Dieses Beispiel sollte seine einzige Kritik an der
Zusammenarbeit im Rat bleiben. Brinktrine gab sich sonst sehr kollegial – wie alle Politiker*innen auf
dem Podium. Zwischen den Zeilen dieses freundlichen Dialogs wurde jedoch deutlich: Keiner der
eingeladenen Kandidatinnen und Kandidaten ist bereit, die weitreichenden Maßnahmen
voranzutreiben, die es braucht, um Klimaneutralität in Münster zu realisieren.
Georg Lunemann (CDU): „Niemanden überfordern und die Wirtschaft mitnehmen!“
Dennoch unterschied sich Georg Lunemann (CDU) grundsätzlich von allen anderen Kandidat*innen:
Während sich die anderen fünf zum Ziel “Klimaneutralität 2030” bekannten, wollte Lunemann diesen
Termin “nicht festnageln”. CO² müsse vor allem durch Innovation reduziert werden, nicht durch
Verbote oder gar Verzicht. Niemand dürfe überfordert werden. Das heißt auch: Man darf quasi nichts
zugunsten einer klimafreundlicheren Stadt regulieren – weder den Autoverkehr noch die
platzraubende Bauweise oder den Flughafen Münster-Osnabrück. Alles ist verhandelbar.
Das Wetter an diesem Tag zeigte sich übrigens wenig verhandlungsbereit – auch um 19:00 Uhr waren
es noch über 30 Grad.