Erstes Treffen am 8. April

Tübingen hat 2022 eine Steuer auf bestimmte Einwegverpackungen beschlossen (s. unten). Das Bundesverfassungsgericht urteilte am 22. Januar: Die Abgabe ist rechtens. Nun denken auch viele andere Städte neu darüber nach – darunter Münster.

Die Initiative bekam Rückenwind aus mehreren Richtungen. Einzelpersonen wie Lotta Reinhard hatte in einem Schreiben an Bürgermeister Markus Lewe (CDU) die Einführung der Steuer gefordert (die Westfälischen Nachrichten berichteten). Zudem hatten die Internationale Fraktion/Die Partei/ÖDP sowie der Linken einen entsprechenden Ratsantrag gestellt. Danach soll eine entsprechende Steuersatzung bis spätestens Anfang 2026 vorliegen und ab Mitte 2026 umgesetzt werden. Der Vorschlag wurde Ende Februar vorerst abgelehnt und in die Ausschüsse verwiesen. Die Stadtverwaltung soll prüfen, welche rechtlichen, organisatorischen und finanziellen Konsequenzen damit verbunden sind – und dann eine Empfehlung aussprechen.

Schnell hatte das Team von Greenpeace bei der „Aktion sauberes Münster“ eine beachtliche Menge Unrat gesammelt. Doch nachhaltlich ist diese Lösung nicht.

Öffentlichkeit soll Druck aufbauen

Parallel sorgt unter anderem Greenpeace Münster dafür, dass das Vorhaben nicht in den Ämtern versackt. „Wir halten eine Verpackungssteuer für eine notwendige Ergänzung zur bereits geltenden Mehrwegangebotspflicht, weil Letzterer die Lenkungswirkung fehlt“, erläutert Paul Schaub von Greenpeace. Er glaubt, dass die Chancen dafür gut stehen: „Im Herbst stehen die Kommunalwahlen an. Jetzt ist genau der richtige Zeitpunkt, das Thema in die Öffentlichkeit zu tragen, zu informieren und, wenn nötig, Druck aufzubauen.“ Die Forderungen der Umweltschützer sind ambitionierter als die der Parteien. „Wir fordern von der Stadt die Einführung einer Verpackungssteuer nach Tübinger Modell, idealerweise noch 2025.“ Da jeden Tag kiloweise Verpackungen in die Landschaft geworfen werden, ist Zeit ein Faktor.

Müll-Sammeln bekämpft nur die Symptome

Vom 21.-27. März wies die Aktion „Sauberes Münster“ auf das Abfallproblem hin. Vereine und Initiativen, aber auch Einzelpersonen zogen dabei eine Woche lang mit Säcken und Mülltüten durch die Landschaft. Zwar türmten sie so beeindruckende Berge von Unrat auf. Doch mit Nachhaltigkeit hatte das Ganze wenig zu tun. „Müll-Sammeln ist zwar richtig und wichtig, behandelt aber letztlich nur die Symptome. Eine Verpackungssteuer hingegen greift schon bevor Unrat überhaupt in der Umwelt landet“, sagt Paul Schaub.

Das Beispiel aus Baden-Württemberg zeigt, dass die Maßnahme wirkt. Sie bringt Mehrweg-Lösungen voran und drängt so die Müllflut im Stadtbild zurück. Kritiker hatten angemerkt, dass die Müllmenge in Kilos in Tübingen nur wenig gesunken sei. Doch dabei ist zu berücksichtigen, dass Verpackungsmaterialien wie Styropor und Alufolie verhältnismäßig wenig wiegen. Gerade Styropor beeinträchtigt die Umwelt aber massiv. Denn es benötigt bis zu 6.000 Jahre, um soweit zu verrotten, dass es nicht mehr messbar ist. Wer also auch nur ein „paar“ Kilo dieses Stoffs einspart, erreicht eine überproportional großen Effekt auf Ressourcenverbrauch und Umweltverschmutzung.

Greenpeace wirbt aktuell für ein größeres Bündnis aus Initiativen und Organisationen, um dem Anliegen Nachdruck zu verschaffen. Dafür holen sie nicht nur Umweltverbände ins Boot, sondern auch Gastronom*innen und Wirtschaftsvertreter*innen. „Zusammen wollen wir dann gemeinsame Aktionen machen, mit Politiker*innen sprechen“, erklärt Paul Schaub. Diese Pläne stehen noch am Anfang. Wer Interesse hat, sich dem Bündnis anzuschließen, ist herzlich eingeladen: Das erste Treffen ist am Dienstag, 8. April, 19 Uhr, im Umwelthaus.

Das Tübinger Modell
In Tübingen gilt seit dem 1. Januar 2022 eine Verpackungssteuer. Zahlen müssen sie die Verkaufsstellen von Einwegverpackungen, -geschirr und -besteck, die darin Speisen und Getränke für den sofortigen Verzehr oder zum Mitnehmen ausgeben.
Der Steuerbetrag beträgt:
0,50 Euro (netto) für Einwegverpackungen wie zum Beispiel Kaffeebecher
0,50 Euro (netto) für Einweggeschirr wie zum Beispiel Pommesschalen
0,20 Euro (netto) für Einwegbesteck und andere Hilfsmittel wie zum Beispiel Trinkhalm oder Eislöffel
Erste Messungen haben ergeben, dass die Steuer Wirkung zeigt. Im Januar 2022 seien 30,74 Tonnen Abfall entsorgt worden; in Vergleichsmonaten früherer Jahre (jeweils Januar) lag die Abfallmenge zwischen 32,28 und 36,24 Tonnen – abgesehen von 2021, dem Jahr des Corona-Lockdowns. Das ist ein Rückgang von 15% (Quelle: Stadt Tübingen).

Deutschland ist Verpackungsmüll-Europameister

n Deutschland ist Verpackungsmüll ein besonderes Problem: Mit 227 Kilogramm pro Kopf produziert die/der Durchschnittsbürger*in knapp 22 Prozent mehr als die Nachbarn in der Europäischen Union. Die Deutsche Umwelthilfe fordert deshalb von der neuen Bundesregierung, Mehrweg über die EU-Verpackungsverordnung hinaus zu fördern – wie eben durch eine Lenkungsabgabe auf Einweg-Plastikflaschen und Wegwerfgeschirr. (Quelle: Pressemitteilung der Deutschen Umwelthilfe)