Stellungnahme der Klimabewegung Münster zum Stadtforum am 15.06.2023
Zum heute anberaumten „Stadtforum: Münster wird Klimastadt“ lädt die Stabsstelle Klimaschutz gemeinsam mit dem Münster Marketing Münsteranerinnen und Münsteraner zum Kick-off ein, wie Münster klimaneutral werden kann. Die Idee dazu kommt aus Brüssel bzw. dem EU-Programm „100 Climate-Neutral and Smart Cities“ (Weitere Infos) für das sich die Stadt Münster erfolgreich beworben hat. Ziel des Programms ist es, ein Konzept zu erarbeiten – einen sog. „climate city-contract“ – bei dessen Erarbeitung die gesamte Stadtgesellschaft mitgenommen werden soll. Auf Seiten der Münsteraner Klimagruppen, die seit Jahren für eine wirksame Eindämmung der Treibhausgas-Emissionen kämpfen und dies durch demokratisches, politisches Engagement mit unendlich viel ehrenamtlicher Arbeit auf die politische Agenda gesetzt haben, tut sich Erstaunen auf. Von der Ausrufung des Klimanotstands (2019) bis zum erfolgreich erkämpften Ratsbeschluss „100 % klimaneutral bis 2030“ (2020) sind von Seiten der Zivilgesellschaft bereits die notwendigen Grundlagen für eine klimaneutrale Stadt gelegt.
Ein climate city contract (ccc) scheint ein Vertrag zu sein, den die Stadtgesellschaft akzeptiert und selbstständig umsetzt. Das wiederum eröffnet die Hoffnung auf eine Transformation der Gesellschaft. Aber ist es nicht eigentlich eine Verschiebung des Problems auf den Einzelnen, der eben dann aus Überzeugung verantwortungsvoll handelt und deshalb seine Freiheit aus eigenem Antrieb beschneidet? Der Verdacht besteht auf jeden Fall. In Münster scheint sich die Stadt mit dem climate city contract ihrer Verantwortung zu entziehen, denn drei Jahre nach dem Ratsbeschluss hat die Stadt immer noch keinen Plan, wie das Ziel zu erreichen ist. Genau dies aber wird im Programm „100 climate-neutral and smart cities“ im Rahmen des Stadtvertrags als „Climate action plan“ (entspricht einem Maßnahmenplan) gefordert. Sie muss sich deshalb fragen lassen, ob sie ihre Verantwortung nicht auf das individuelle Verhalten der Einwohnenden ablädt?
Klar ist nämlich: Klimaneutralität wird nur erreicht, wenn ein Rahmen aus Anreizen und Ordnungspolitik gesetzt wird, der die nachhaltigen Verhaltensweisen nicht zur Überzeugungstat gegen Widerstände macht, sondern zu der Entscheidung, die am naheliegendsten, am bequemsten und am günstigsten ist. Klimafreundliches Verhalten muss selbstverständlich werden.
Wie wäre es also, wenn nun endlich mit einer Umsetzung der Grundlagen des Ratsbeschlusses „Klimaneutralität bis 2030“ begonnen werden würde?
Dem Klimaschutz in Münster fehlt einzig die Struktur
Zur Erinnerung: Der Rat der Stadt hat im August 2020 beschlossen, dass ein Maßnahmenplan zu erstellen ist, wie Münster klimaneutral werden kann und darüberhinaus, dass der OB jährlich darüber öffentlich Rechenschaft ablegen soll, was genau in dieser Hinsicht bzw. in welcher Abfolge geplant bzw. bereits umgesetzt ist.
Der Oberbürgermeister ist der Chef der Verwaltung und hat in dieser Funktion die Beschlüsse des städtischen Parlaments umzusetzen. Es ist also mehr als verwunderlich, dass es weder einen Maßnahmenplan noch ein Monitoring gibt, wie weit wir in dem Prozess sind und noch erstaunlicher, dass niemand in der Stadtgesellschaft darüber Auskunft erhält, was konkret der OB zu diesem Thema getan hat. Auch bisherige Anfragen nach § 4 des Informationsfreiheitsgesetzes auf Akten- und Dokumenteneinsicht wurden bisher verwehrt. [1] [2]
Es ist festzustellen: Einzig eine Person in dieser Stadt hat die Macht, die Verwaltung anzuweisen, die Ratsbeschlüsse umzusetzen oder es sein zu lassen. Anscheinend haben wir es mit Zweiterem zu tun, denn wirksame Maßnahmen, die THG-Emissionen einzusparen, fehlen und entsprechende Umsetzungen bleiben aus. Und es scheint leider so, als hätte die Ratskoalition diesen Zustand akzeptiert. Und dies, obwohl sie sich ursprünglich Klimaschutz als Priorität in den Koalitionsvertrag geschrieben hatte.
Warum ist ein Maßnahmenplan und ein Monitoring wichtig?
Klimaschutz wird priorisiert! Ein Monitoring schafft Transparenz darüber, was bisher erreicht wurde und wo nachgebessert werden muss. Das Gegenteil passiert hier gerade: Es wird verschleiert und schöngeredet.
Beispiele lassen sich in allen Sektoren aufzeigen: Jüngst beim Thema Bauen und der logisch folgenden Flächenversiegelung. Hier priorisiert die vom OB angewiesene Verwaltung beim sog „Integrierten Flächenmonitoring“ nicht den Klimaschutz, sondern folgt der vermeintlichen Wachstumslogik und produziert einen der Logik dieses Systems folgenden „Bau-Druck“. Aktuelle Planungen sehen dafür die Halbierung des nördlichen Grünzugs vor. Anstatt sie wirksam durch städtische Klimaschutzmaßnahmen aufzuwerten, sie bewusst als notwendige CO2-Senken zu erhalten bzw. sie weiter aufzubauen, geraten sie zur Verfügungsmasse für städtische Projekte ebenso wie für weitere 249 ha für Gewerbeflächen und 390 ha für Wohnflächen. [3]
Ein Maßnahmenplan für eine wirksame Klimapolitik würde deutlich machen, dass diese Projekte dem Ziel diametral entgegenstehen!
Wir erwarten deshalb ein Maßnahmenprogramm, das den Handlungsspielraum der Stadt voll ausschöpft.
Was darüber hinaus von städtischer Seite nicht geleistet werden kann, da Regelungen von Land, Bund und EU nicht ausreichen, muss eine nach Klimaneutralität strebende Stadt von diesen höheren Ebenen einfordern. Das bedeutet, sie muss gesetzliche Hindernisse benennen, Vorschläge zur Verbesserung erarbeiten, sich mit anderen Städten und Gemeinden vernetzen und lautstark für Reformen kämpfen, wofür das EU-Projekt „100 Climate-Neutral and Smart Cities by 2030“ ja eine gute Grundlage schaffen würde.
Eine Stadtgesellschaft, die sich klimaneutral verhalten will, braucht Rahmenbedingungen, die es ihr überhaupt ermöglicht, den Alltag klimaneutral zu gestalten. Die Grundlagenarbeit dafür aber muss von der übergeordneten Institution ausgeführt werden, da sie der einzelne an sich nicht leisten kann: Wenn kein Bus fährt, dann kann man sich da auch nicht hineinsetzen und wenn eine Fläche erst einmal versiegelt wird, dann kann man dort auch keine Bäume mehr pflanzen. Das sind die ganz praktischen Gründe, warum es mit kleineren Adhoc-Beschlüssen und Maßnahmen, die sich dem „fortlaufenden, dynamischen Prozess (…) , der stets an sich ändernde Entwicklungen und Rahmenbedingungen angepasst werden muss.“ (V/0628/2021 – Beschlusspunkt 4) nicht getan ist, denn bei beiden oben genannten Beispielen braucht es umfassende und vor allem langfristige Planungen, denen ein grundlegender Wandel folgt.
Auf dass wir auch weiterhin in einer lebenswerten Stadt leben können: Gemeinwohl- und nachbarschafts-orientiert. (Zur Gemeinwohlökonomie vgl. den Koalitionsvertrag des Ratsbündnisses, in dem diese für Münster umgesetzt werden sollte!)
Das ist es, was die Umwelt- und Klimabewegung, als Teil der Zivilgesellschaft der Stadt gerne konstruktiv mitgestalten würde.
KlimaEntscheid Münster
Ausdrücklich gesondert mitgezeichnet von (aktualisiert am 18.06.2023):
- Aktionsbündnis „Pestizidfreies Münster“
- BUND Münster
- Christians for Future Münster
- Energiewendegruppe Münster
- FFF Münster
- Greenpeace Münster
- Kidical Mass Münster
- Münster-isst-veggie
- NABU Stadtverband Münster
- NaturFreunde Ortsgruppe Münster
- Ökobau Münsterland e.V.
- Parents for Future Münster
- Psychologists for Future Münster
- Scientists for Future Münster
- Stadt der Zuflucht Münster
- Umweltforum Münster